Donnerstag, 15. April 2010

NORDFRIEDHOF

Es ist windig draußen und ich bin gerade vom Mittagschlaf aufgewacht. Ich kann es draußen um die Dächer pfeifen hören. Anstatt mich noch mal umzudrehen und den Rest des Sonntag-Nachmittag zu verschlafen, raffe ich mich auf. Ich will raus. Den Wind spüren. Ich ziehe meine MBT Schuhe an: scheußlich, gebe ich gerne zu! Aber sind ja auch keine Schuhe, sondern Trainingsgeräte. Eigentlich doch nicht so übel. Sehen aus wie schwarze Turnschuhe. Nur mit dicken Solen. Dann setze ich mich in Bewegung. Der Nordfriedhof liegt direkt bei mir um die Ecke. Die rote Backsteinmauer macht ihn zu einem warmen Ort. Egal wie das Wetter ist. Ringsrum zieht sich die Mauer und die Eingänge sind mit Eisentoren versehen. Schöne Eisentore. Der Haupteingang ist immer offen. Hunde dürfen keine hinein. Aber ich weiß, dass manchmal Kinder hier Fußball spielen. Ihr Lachen und Toben zeigt die Nähe von Tod und Leben. Ich ziehe den Schal fester um meinen Hals, weil der Wind so bläst und biege in den Friedhof ein. Es ist der alte Nordfriedhof. Seid fast hundert Jahren wird hier niemand mehr zu Grabe getragen.

Gleich beim Eingang rechts bleibe ich vor einem Grabstein stehen. Ich wippe auf meinen Schuhen. Das ist gut für die Muskeln. Ich betrachtet das Grab. Der Wind wirbelt Blätter in der Luft herum. Es ist das Grab der Familie Junge. Er heißt Carl-Rudolf und seine Frau Doris. Sie, 1823 geboren, war zwei Jahre älter als ihr Mann und hat ihn um drei Jahre überlebt. 1884. Ihr Todestag. Ein einfaches Kreuz ziert den Grabstein. Es scheint, als seinen sie kinderlos gestorben. Die leere Fläche unter ihren Namen spricht eine eigene Sprache. Lange Jahre des Kinderwunsches. Keine Erfüllung. Sehnsucht und die Auseinandersetzung mit dem Gedanken keine Nachkommen zu haben. Niemand, dem man das, was man im Leben erreicht hat, weiter geben kann. Irgendwie traurig. Trotzdem hatten sie eine gute Ehe. Denke ich. Vielleicht hatten sie aber auch Töchter, die wiederum bei ihren eignen Männern begraben sind. Ich glaube sie hatten keine. Sie war vielleicht zum Zeitpunkt der Eheschließung schon zu alt, um welche zu bekommen. Die letzten drei Jahre ihres Lebens müssen sehr einsam gewesen sein. Ohne ihren Carl-Rudolf. Ohne Kinder. Ohne Enkel. Eine einsame alte Frau. Mit einem zugesicherten Grab-Platz. Entfernte Verwandte haben sich um ihre Beerdigung gekümmert. Geplant hat sie alles bereits selber.


Es ist ungewöhnlich für die Zeit, dass sie älter war, als ihr Mann. Ich denke es war eine Liebesheirat und dass sie eine wunderschöne Frau war. Selbstbewusst und stark. Vielleicht hatte sie Sommersprossen. Und rote Haare. Und seine Familie war gegen die Heirat, weil sie einen zwielichtigen Hintergrund hatte. Aber er wollte diese Frau heiraten. Seine Familie musste sich damit abfinden. Ihr Mädchenname war Pausch. Dass zeigt mir, dass sie nicht Carl-Rudolfs Schwester war. Nein. Sie war seine Frau. Und sie waren dreißig, vielleicht vierzig Jahre verheiratet.


Ein Baum wächst schräg vor ihrem Grabstein, der an der roten Backsteinmauer hängt. Es ist ein großer Stein. Mit dunklem Marmor ausgelegt, in den ihre Namen eingemeißelt sind. Angelegt für eine große Familie. Ich betrachte den Boden unter meinen Füssen. Erde und spärliches Frühjahrgras. Ich stehe also auf dem Boden, unter dem sie liegen. Es ist bestimmt nichts mehr übrig von ihnen. Höchstens noch ein paar Zähne. Vielleicht die Eheringe, die sie mit in den Sarg genommen haben. Heute weiß niemand mehr etwas über sie. Da liegen sie – oder ihre Überreste. Hoffentlich sind sie im Himmel. Bestimmt.


Dann wandere ich weiter. Mein Blick streift über weitere Grab-Steine, aber mit meinen Gedanken bin ich beim Ehepaar Junge. Der Kies auf dem Weg knirscht unter meinen Schuhen. Ich gehe einmal um den Friedhof herum. Ein paar Jogger überholen mich mehrmals. Bevor ich durch das große Eisentor wieder nach draußen gehe, bleibe ich noch mal kurz bei den Junges stehen. Ich nicke kurz zu ihrem Grabstein hin und verabschiede mich. Es ist ein bisschen, als hätte ich sie gekannt. Dann wende ich ihnen den Rücken zu, verlasse den Friedhof und wandere zurück in mein eigenes Leben.

Mittwoch, 14. April 2010

Textversuch - Grauenszenario

Die Tage der großen Liebe sind vorbei und der Mensch begibt sich in eine Wüste. Die Wüste besteht aus Sand, Dünen, Steinen und trockener, staubiger Luft. Der Durst stellt sich schnell ein und verlässt einen nimmermehr. Ab und an sieht man ein Trugbild, eine Fatahmorgana, und lechzend schmeißt man sich in die nichtvorhandene Oase. Hat man den Mund schon voll und reichlich Staub geschluckt, ruckt man auf und das tränende Auge sieht nichts als ewig gleich bleibenden Sand. Der Hals ist nun vollends aufgeraut und es bleibt nicht genug Flüssigkeit im Körper, um dem Heulkrampf Platz machen zu können. Die Augen sind rot umrandet und schöner wird man auch nicht in dieser trostlosen Einöde. Die Haut beginnt eine sonnenverbrannte, lederähnliche Textur anzunehmen und die Bewegungen werden von Tag zu Tag müder und ausgelaugter. Des Nachts krümmt man sich in einer Düne zusammen und schlottert am ganzen Lieb, weil nichts Schutz bietet vor der bitteren Kälte der Wüstennacht. Die Kälte kriecht einem bis auf die Knochen und wüsste man nicht um das Grauen des Tages, würde man sich nach den wärmenden Strahlen der Sonne sehnen. Die Lippen werden spröde und reißen schmerzhaft auf. Die Haare werden strohig und eines Morgens muss man feststellen, dass sie schlohweiß geworden sind. Die Hoffnungslosigkeit der Situation hat ihren Tribut gefordert. Die Fingernägel sind schon ganz und gar brüchig und die einst fleischuntersetzte Haut schlottert nur mehr so um die schmerzenden Knochen. Die Haut hat Flecken bekommen, die ein viel höheres Alter verkünden, als man tatsächlich Jahre auf den Schultern trägt. Die Blüte der Jugend ist verwelkt und die Umstände haben zerstört, was einst frisch und lieblich gewesen ist. Schließlich kann man sich nicht aufraffen und auch der letzte Wille ist gebrochen. Man kauert sich ein letztes Mal zusammen, schlingt die Arme um die mageren Reste des eigenen Körpers und gibt einfach auf. Die Gedanken können sich nicht mehr auf ein Ziel konzentrieren, sie schwirren wirr und erschreckend durch den eigenen Kopf. Man nimmt sich selbst kaum mehr wahr und ist selbst zu schwach, um sich das Sterben zu wünschen. Man nimmt einfach hin und wartet, wartet, wartet…auf das Ende.

Donnerstag, 8. April 2010

Farbexperimente

Was meine Kamera alles kann: Ich experimentiere mit Farben in schwarz-weiß Bildern und finde es höchst erquicklich.