Freitag, 31. Dezember 2010

Weihnachten im "Motherhouse" in Kalkutta

Um sieben Uhr war ein Krippenspiel angekuendigt. Ca. 30 Volunteers hatten es einstudiert und bereits in den einzelnen Hausern aufgefuehrt. Am Heiligen Abend fand es fuer die Schwestern und restlichen Volunteers im Haupthaus der MC's statt. Im Innenhoff war eine Buehne improvisiert; im Hintergrund eine Grotte mit der Gottesmutter - daneben eine Krippe. Alle sassen gespannt darum herum. Wir kamen ziemlich spaet und konnten so ganz vorne auf dem Boden Platz nehmen. Neben uns ein paar Jungs aus dem Heim fuer altere Kinder. Sie waren extra schoen angezogen und warteten gespannt auf das Schauspiel.
Jungs aus Daya Dan
Innenhof des Mutterhauses

Die Schwestern tummelten sich auf den Balkonen, die den Innenhof des Hauses umringen und nur wenige liessen sich ueberreden doch unten Platz zu nehmen, wo man am besten sieht. Das Stueck war grandios. Es handelte von fuenf Volunteers, die nach Kalkutta gekommen waren und deren Leben von Mutter Theresa und der Arbeit hier voellig veraendert wurde. Alle richteten sich in ihrer Erzaehlung direkt an das Jesuskind in der Krippe, hielten quasi Zwiesprache, waehrend sie das Erlebte revue passieren liessen...
So zum Beipsiel ein junger Japaner, der kam, um eine soziale Erfahrung zu machen. Er wollte unbedingt Mutter Theresa persoenlich kennen lernen. Aber viele Tage kam es nicht dazu. Schliesslich hatte er das Glueck sie an drei Tagen in Folge zu treffen. Am dritten Tag nahm sie seine Haende, sah im in die Augen, laechelte und sagte: "Und wann wirst du deiner Berufung nachkommen und Priester werden?" 
Reichlich erstaunt meinte der junge Japaner: "Aber Mutter - wie kann das sein? Ich bin noch nicht einmal katholisch!" Sie laechelte nur und sagte nichts weiter. Ihre Worte beruehrten den jungen Mann sehr, denn er spuerrte eine Sehnsucht in sich, die er sich nicht erklaeren konnte. Ihm war aber klar, dass das, was sie gesagt hatte, nicht sein konnte. Er war noch nicht einmal getauft. Der junge Mann reiste nach Hause zu seiner Mutter. Nach einiger Zeit erzaehlte er ihr von seiner Begegnung und von seiner inneren Sehnsucht. Er war sicher seine Mutter wuerde nicht begeistert sein. Und gegen den Willen seiner Mutter haette er nie gehandelt. Erst war seine Mutter geschockt. Dann sah sie ihn an und meinte: "Sohn - wenn Mutter Theresa das sagt, dann kann ich nichts dagegen sagen. Geh deinen Weg!" Jubell drang aus seinem Herzen. Er liess sich taufen, Firmen und studierte Theologie. Als er geweiht wurde, spuerrte er in seinem Herzen eine unaussprechliche Freude und ihm war klar, dass er den richtigen Weg gegangen war. Jetzt ist er seit vielen Jahren Priester. 
Auch die anderen Geschichten gingen sehr zu Herzen - jede ganz anders und unerwartet. Vor allem weil man die Bewegung der Herzen gut nachvollziehen konnte. Die Volunteers spielten mit einer Imbrunst, die einen nicht kalt lassen konnte. Ein paar Voluntees machten Musik und sangen dazu. Die Schwestern waren begeistert. Nicht selten rieselte ihr kollektives Gelaechter durch den Innenhof.
Aktiver Initiator des Krippenspiels

Musikerin beim Krippenspiel

Anschliessend ging es in die Weihnachtsmesse. Jede Messe, die ich bis dato bei den Schwestern erlebt habe war innig, heilig und schoen. Die Weihnachtsmesse war nochmal ganz besonders herrlich; mit viel Weihrauch, schoenen Weihnachtsliedern - Stille Nacht, Heilige Nacht in lauter verschiedenen Sprachen, der Chor der Schwestern wie ein Engelschor. Alles, was sonst an Weihnachten eine Rolle spielt war dieses Jahr Zuhause geblieben. Antonia und ich waren einfach nur da - voellig offen und mit leeren Haenden. Sich einmal nur auf das zu konzentrieren, was tatsaechlich Weihnachten ausmacht: dass Jesus als kleines, nacktes, hilfloses, armes Kind auf unsere Welt gekommen ist um und zu erloesen - das ist irgendwie nochmal neu und tief eingesunken.

Nach der Messe hatten die Schwestern Chai und Kuchen fuer uns vorbereitet. Mit eifrigen, strahlenden Gesichtern wieselten sie um uns herum und sahen zu, dass keiner leer ausging. Es war eine heitere, geloesste und frohe Stimmung, wie ich es selten erlebt habe. Sehr zufrieden und mit einem frohen Licht im Herzen sind wir dann schlafen gegangen, um um halb sechs am naechsten morgen wieder aufzubrechen in einen neuen Tag...
Homys zu Weihnachten in Kalkutta

Donnerstag, 30. Dezember 2010

500 Rickshaw-Man...

...vor dem Mutter Theresa Haus Shishu Bahwan. Als ich um halb neun dort ankomme, sind bereits ca. 80 Maenner gekommen. Alte, junge, kleine und grosse - die meisten mit tiefen Lebenfallten im Gesicht. Duenne, aber meistens kraeftige Maenner.Wir werden sofort von der grossen, blonden Spanieren, die das Projekt leitet, eingespannt die Maenner dazu zu bewegen sich in einer Reihe am Strassenrand aufzustellen. Wenn das nicht klappt, kommt die Polizei, weil ein riesen Stau entsteht und verbeitet die Aktion. Also versuchen wir den Indern mit Haenden und Fuessen klar zu machen, was passieren soll. Das ist garnicht so einfach. Die meisten winken aufgeregt mit ihrem Tickets vor meiner Nase rum, grinsen und nicken eifrig, schauen fragend - wissen wollend ob sie tatsaechlich etwa bekommen,  lassen sich dann aber doch bewegen ihre Rickshaws in Reih und Glied (siehe Foto) aufzustellen. Schon jetzt erkenne ich einige Gesichter von gestern. Die einzelnen Rickshaw-Maenner mich offensichtlich auch. Die Augen strahlen auf - sie winken mir zu, beruehren ihre Stirn, verbeugen sich. Ich sehe den Moslem, der mich angrinst und sein Ticket schwenkt. 
Vor der Tuer herrscht Chaos. Viele muessen zurueck geschickt werden, weil sie ihre Fahrgeraerte nicht dabei haben - die Nummer muss kontrolliert werden. Viele wiederum haben kein Ticket und werden leer ausgehen. Das ist schrecklich, aber nicht zu aendern. Es werde immer mehr und das Chaos scheint perfekt. Die Organisatorin des Projekts schafft es aber schliesslich, dass alle sich in Reih und Glied aufstellen - das geht nur mit viel Geschrei und Gestikulieren einher - klappt aber am Ende erstaunlich. Sie macht das bereits seit sieben Jahren und hat einen freundlichen, aber sehr bestimmten Umgang mit den Leuten. Fuenfhundert Maenner stehen Schlange fuer ein Weihnachtsgeschenk. Schliesslich werde sie in kleinen Trupps von etwa 25 rein gelassen. Jeder bekommt einen kleinen Sack mit einer Decke, einem Umschlagtuch, etwas zu Essen. Es scheint wenig zu sein, aber man sieht den Gesichtern an, dass es sehr viel ist. Dann setzten sich die Gruppen  der Maenner kurz um eine der Schwestern. Es ist eine sehr alte, sehr kleine Schwester, die schon seit den Anfaengen bei den MC's ist. Sie war die 17te Schwester die dem Orden beigetreten ist. Diese sammelt die Aufmerksamkeit der Maenner ohne Probleme und gibt ihnen in sehr kurzen Saetzen etwas von der frohen Bothschaft mit auf den Weg. Viel haben die Haende andaechtig gefaltet, nicken aufgeregt...manchen scheint es egal zu sein, die meisten hoeren aber mit sehr grossen Ohren zu. Es passiert ihnen  nicht oft, dass jemand sie anspricht, mit Respekt behandelt und ihnen etwas schenkt - ganz umsonst. Das Leben ist ein Kampf. Um jede Rupie muessen sie feilschen. Man merkt ihnen an, dass sie das nicht kennen, was hier passiert. Es ist etwas ganz besonderes.
Schliesslich endet die alte Schwester und die Maenner werden zurueck auf die Strasse entlassen. Beim raus gehen bekommt ein jeder ein Bild von Mutter Theresa und eine Wundertaetige Medaille in die Hand gedrueckt. Ich verteile die Medaillen. Und ich staune ueber die tiefen Reaktionen. Die Medaille wird haeufig gekuesst, an Stirn und Herz gehalten. Ich sehe Traennen. Wieder treffe ich viele, denen ich gestern das Ticket in die Hand gedrueckt habe...die Dankbarkeit in ihren Augen beruehrt mich tief, aber der nicht selten aufblitzende Schalk, der ebenfalls zu erkennen ist, freut mich krass.
Schwetser. Nr 17 bei der kurzen Bothschaft

Eine Schwester neben den Gaben



Es dauert ueber drei Stunden, bis die 500 Maenner durchgeschleusst sind.  Und ich werde das bestimmt niemals vergessen!

Eindruecke von Indien

Menschen

Faehre nach Sunderban

dringendes Geschaeft am Strassenrand

In Kaligat

Mit Sr. Trinitaris beim Kloputzen

Morgenwaesche am Strassenrand

Rickshaws

500 Rickshaw-man aufgereiht vor Shishu Bahwan

Man-Rickshaws...

...sind von Maennern gezogene kleine Wagen. Ziemlich hoch und ziemlich wackelig. Die Maenner gehoeren meist zu den ganz Armen hier in Kalkutta. Die meisten besitzen nichts, schlafen Nachts unter ihren Fahrgeraeten...viele haben Familie in den Slums, oder schciken was sie ueberhaben zu den Familien, die auf dem Land leben. Eigentlich verdienen sie nicht so schlecht mit ihrer Arbeit, muessen aber das meiste an die Rickshaw Vermieter abgeben, die das Geschaeft kontrollieren. Ausgemergelte, nur aus Muskeln und Sehnen bestehende Maenner. Die meisten haben nichteinmal Sandalen, sondern sind Barfuss unterwegs., auf den immer dreckigen, unebenen Strassen der Stadt. Oft glaubt man nicht, dass die duerren Maennlein ueberhaupt die Kraft haben, ihre Last zu ziehen. Und schon oefters habe ich gehoert, dass sie es auch nicht schaffen und das Gefaehrt samt Passagier umkippt.
Heute waren wir in kleinen Trupps unterwegs, um diesen Man-Rickshaws kleine Gutscheine zu geben, die sie dann morgen frueh um 9 Uhr bei den MC Schwestern gegen ein Weihnachtsgeschenk eintauschen koennen. Ich war mit zwei Japanerinnen unterwegs, die kaum Englisch sprachen, aber reizend waren. Kaum waren wir an unserem Standort am New Market angekommen und hatten dem ersten Rickshaw Mann sein Ticket in die Hand gedrueckt, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer...wir wurden von Bruder zu Cousin gefuehert...alle Dankbar mit grossen Augen. Ich hatte eine Liste. Jede Rickshaw hat eine Registrier Nummer, die ich in die Liste eingetragen habe...damit jeder nur einmal kommen kann fuer ein Geschenk. Einige kennen es schon aus vergangenen Jahren, andere nicht. Es gibt ca. 4000 Rickshaw-Laeufer in Kalkutta und ich habe gehoert, dass es die einzige Stadt Weltweit ist, wo es sie ueberhaupt noch gibt. Die Schwestern haben nur 500 Geschenke zu vergeben. Die, die es kennen, versuchen mehrmals dran zu kommen. Brauchen koennen sie es alle, aber der Versuch das was da ist gerecht zu verteilen ist gut. Sie haben sich um uns gedraengt, uns zu den naechsten gefuehert, sich verbeugt und bedankt...einer meinte, er sei Muslim ob er auch duerfte. Klar. Da werden keine Unterschiede gemacht. Morgen um 9 Uhr kommen sie dann alle zu Mutter Theresas Haus...und ich werde hingehen, um mit auszuteilen und bin gespannt ob ich ein paar Gesichter wieder erkenne.

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Kalkutta stinkt

...das ist der erste Eindruck, der einem entgegenschlaegt in dieser Stadt. Und dieser Laerm. Sich abends Ohropax in die Ohren zu schieben kommt einer Erloesung gleich. Es ist einfach sehr laut und es stinkt. Man hoert das staendige Hupen der Autos, das quietschen der Rickschas und das klingeln von Fahrraedern. Die Nase nimmt Abgase, Urin, Schweiss und verschiedenste Gewuerze und Kochgerueche wahr...alles auf einmal und alles gemischt. Kein Wunder - gleich neben den vielen kleinen Staenden, an denen auf offenem Feuer Speisen zubereitet werden, ist das oeffentliche Pissoir - naemlich die Abwasserrinne am Strassenrand. Wenn man dann Abends die kleinen Jungs beobachtet, die das Geschirr in eben diesem Abwasser abschrubben - dann weiss man, warum man im Lonley Planet davor gewarnt wird an den Strassenstaenden zu essen.
Aber die Menschen. Schoene Menschen. Vor allem die Frauen. Und die Kinder sind einfach zum einsammeln, einpacken und mitnehmen. Man sieht so viele Menschen, dass man es kaum begreifen kann...es ist immer und ueberall sehr voll. Und man schlaengelt sich durch die Massen, steigt ueber schlafende Bettler, weicht den vielen Hunden aus, die auf dem Weg an jeder moeglichen und unmoeglichen Stelle ein Nickerchen machen. Am besten geht man an der offenen Strasse, auch wenn man da Gefahr laeuft ueberfahren zu werden. Im Strassenverkehr scheint es keine Regeln zu geben - ausser laut zu Hupen und scharf zu Bremsen. Aber man lernt schnell...

mehr Eindruecke gibts bald (Ps: Umlaute gibts nicht auf der indischen Tastatur =))

Montag, 13. Dezember 2010

Der Tod

Heute beschäftigt mich der Tod. Der Tod ist nämlich eine interessante Sache und er ist es wert manchmal über ihn nachzusinnen während man lebt. Man könnte meinen, das wäre nicht nötig, weil er einen jeden von uns früher oder später ereilt und einholt, aber ich denke doch, dass man sich schon frühzeitig mit ihm auseinandersetzten sollte. Um nicht im Jetzt und Hier von der Angst vor ihm beherrscht zu werden. 
Sich auch nur eine Stunde, ja eine Minute von dem Gedanken an ihn verdüstern zu lassen lohnt sich nicht. Aber jeder weiß um den Tod und viele fürchten ihn. Und viele versuchen dieser Furcht zu entkommen, indem sie ihn ignorieren. Ich kenne die Furcht, die man ignoriert. Sie lungert im äußersten Teil unseres Blickwinkels herum und wächst und wächst und wird zu einem bedrohlichen, immer dunkler werdenden Schatten. Schaut man dann mutig doch einmal direkt hin, ist die Mücke immer noch so klein und belanglos, wie beim ersten Mal, als man hingesehen hat. Sie ist genauso harmlos als zuvor - bevor man begonnen hat sie zu ignorieren. So ist es auch mit der Angst vor dem Tod. Man muss ihn betrachten; sich einmal genau ansehen, was es mit ihm auf sich hat, damit er keine unheimlichen Schattenspiele an die Wand unseres Lebens werfen kann.

Ich glaube an die Auferstehung. Das heißt, dass ich glaube wir kommen in den Himmel und  gehen in die Herrlichkeit Gottes ein. Eine Cousine von mir stellt sich das folgendermaßen vor: Sie sieht eine große Wiese auf der lauter schillernde Seelen herum hüpfen. In purer Freude. Jemand anderes hat mal vermutete, dass wir im Paradies alle 33 Jahre alt sein werden. So alt wie Jesus war, als er starb - also in der Blüte unseres Lebens. Ich selbst habe keine konkrete Vorstellung davon, wie es sein wird, aber ich denke wir werden einfach in der Gegenwart Gottes sein und so von Freude durchleuchtet, wie wir uns es hier auf der Erde gar nicht vorstellen können. Das Gegenteil, die Hölle, muss demnach die Ferne von Gott sein. Wissend, dass man sich willendlich gegen diese Gegenwart entschieden hat. Für immer mit den Zähnen knirschend. Es ist mir kaum vorstellbar, dass man sich da wissend und willendlich für entscheiden kann. 
Ein bisschen kann man es sich vielleicht aber doch vorstellen. Wenn man jemanden liebt, dann möchte man um jeden Preis bei diesem Menschen sein. Und dennoch kann man es nicht immer. Und es gibt Situationen, da entscheidet man sich dagegen und leidet innerlich Höllenquallen. Man ist fern von dem ,den man liebt, und hat vielleicht keine Möglichkeit ihn jemals wieder zu erreichen. Wissend um das, was man sich selbst genommen hat.
Dennoch ist einem Jeden von uns diese Entscheidung frei in die Hand gegeben. Ich denke nicht, dass irgendein Mensch, der von der Existenz Gottes keine Ahnung hat, deswegen in der Hölle landen kann. Da wird sich die ganze Gnade Gottes erweisen. Aber jemand, der Gott erkannt und dennoch gegen ihn entschieden hat... ich fürchte, dass dann die Hölle durchaus zur Realität werden kann.

Aber das ist nun auch schon einen Schritt zu weit gedacht. Der Tod ist etwas ganz Irdisches. Eigentlich, paradoxerweise, etwas ganz lebendiges. Der Tod ist vielleicht auch nicht das, worüber ich nachdenken will, sondern das Sterben. Denn der Tod selbst ist nur ein Bruchteil einer Sekunde. Vielleicht ein Moment, dem wir einen Namen gegeben haben, den es aber gar nicht gibt, da wir direkt und ohne Unterbrechung von einer Wirklichkeit in die nächste übergehen. Der Tod umschreibt nur das Ende hier auf Erden. Er sagt nichts aus über das danach. Und auch nichts über das davor.
Ich habe in meinem Leben einen einzigen Menschen beim Sterben begleitet. Und auch das ist nicht ganz richtig, denn als er seinen letzten Atemzug in dieser Welt gemacht hat, habe ich geschlafen – seine Hand haltend. Und doch war ich dabei, wie er mit dem Tod gerungen hat, sich an das Leben klammernd, das er nicht lassen wollte. Vielleicht ist ihm in den letzten Augenblicken auch bewusst geworden, dass es ganz widersinnig ist, sich daran zu klammern. Weil das, was kommt, so wundervoll und allumfassend ist, wie nur vorstellbar. Vielleicht wurde ihm die Gnade erwiesen schon hier, als er noch unter uns weilte, einen kleinen Blick hinüber werfen zu dürfen und vielleicht hat er deswegen in den letzten Sekunden keine Angst mehr gehabt. Ich hoffe es.
Warum haben wir so eine Angst vor dem Tod? Sind es die Schmerzen, die mit dem Sterben einhergehen können? Ist es das letzte Quäntchen Unsicherheit, ob wirklich ein „danach“ existiert? Ist es die dunkle, bedrückende Angst, dass wenn man die Augen zum letzten Mal schließt, alles was kommt das feuchte dunkle Erdreich ist und einen ein Wurm auffrisst? Wenn man so direkt darüber nachdenkt, dann verliert es viel von seinem Schrecken. Ich denke, es ist wohl mehr das, was wir zurücklassen müssen hier auf Erden. Die Menschen die wir lieben. Denn aller Glauben der Welt und alle Zuversicht, dass es wunderbar werden wird, kann uns nicht den Schmerz des Verlustes nehmen. Wenn ich mit jemandem Zeit verbracht habe und er verabschiedet sich, um nach Hause zu fahren, dann erlebe ich ein ähnliches Gefühl. Ich vermisse diesen Menschen, auch wenn ich genau weiß, dass es ihm dort, wo er hingefahren ist, sehr gut geht. Vielleicht weil im Unterbewusstsein immer das kleine bisschen Angst schwebt, es könnte etwas passieren, wenn wir nicht hinsehen? So wie das kleine bisschen Furcht vorhanden ist, es könnte nach dem Tod nichts mehr geben, als schwarze, kalte Leere? Vielleicht.
Tatsache ist, dass wir durch Jesus die Hoffnung bekommen habe. Die Hoffnung und den Glauben an das danach – was wir Himmel nennen. Weil er für uns gestorben ist und weil er tatsächlich – ganz freiwillig – in den schlimmsten aller Zustände hinab gestiegen ist. In die Gottferne. Damit unsere Sünden vergeben sind und wir in das Reich Gottes kommen können. Durch ihn und mit ihm. Denn er ist nicht in der Tiefe geblieben. Nein. Er ist auferstanden und hat so seine ganze Herrlichkeit – seine Menschlichkeit und seine Göttlichkeit offenbart. Das Geschenk, was er uns damit gemacht hat, ist so groß, dass man im Annehmen desselben nur ganz klein und demütig werden kann. Das macht es auch vielen Menschen so schwer. Denn die meisten Menschen können nicht annehmen, dass man ihnen einfach etwas schenkt. Sie wollen zurückschenken. Weil sie nicht in Jemandes Schuld stehen wollen. Das unfassbare an Jesus ist jedoch – er schenkt sein Leben, ohne das wir dadurch in seiner Schuld stehen. Völlig frei, völlig gratis. Nichts, was wir hier auf Erden tun können, kann dem jemals gleich kommen und mit nichts können wir ihm zurückgeben, was er getan hat. Sonderbar. Alles, was er will ist unsere Liebe.

Gedanken zu: Psalm 25(24),4-5.6-7.8-9.

Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade!
Führe mich in deiner Treue und lehre mich; denn du bist der Gott meines Heiles. Auf dich hoffe ich allezeit.
Denk an dein Erbarmen, Herr, und an die Taten deiner Huld; denn sie bestehen seit Ewigkeit.
Denk nicht an meine Jugendsünden und meine Frevel! In deiner Huld denk an mich, Herr, denn du bist gütig.
Gut und gerecht ist der Herr, darum weist er die Irrenden auf den rechten Weg.
Die Demütigen leitet er nach seinem Recht, die Gebeugten lehrt er seinen Weg.



Er neigt sich uns zu und ist bereit uns zu lehren. Denn nicht umsonst entfliehen diese Worte des Psalmisten seinen Lippen - und auch meinen nicht. Nicht umsonst: Gott ist treu und er ist gut. Er weiß wo der rechte Weg für mich ist. Und wenn ich ihn anrufe, so hört er. Die Frage ist nur, ob ich bereit bin seine Antwort auf mein Flehen zu hören UND auch anzunehmen. Wie bete ich? Doch so oft mit einer ganz konkrete Vorstellung im Kopf davon, WIE er meine Gebete erhören soll. Und wohin mich seine Pfade führen sollen. Eigentlich bitte ich oft nur darum, dass er mein Leben nach meinen Vorstellungen gestalten soll...und das bitte ohne Umwege und sofort. Weil da doch der kleine Gedanke ist, dass ich selbst am besten weiß und sehe, was für mich jetzt dran und am besten ist. Schließlich ist es ja mein Leben. Ich bin ja mitten drin - da muss ich es doch wissen. Und Gott - ja Gott soll mir helfen - möglichst ohne zu laut eigene Ideen vom Stapel zu lassen...
Wie dumm von mir! Denn seine Pläne sind Pläne des Heils und nicht des Unheils. Sein Plan für mein Leben ist fein erdacht und führt mich in die Freiheit, die Liebe und das Leben. Sein Plan führt mich an Orte - innerlich und äußerlich - von denen ich nie zu träumen gewagt hätte. Sein Plan ist so viel größer, als ich ihn mir je ausmalen könnte. Und darum bin ich garnicht in der Lage um das zu bitten, was für mich am besten ist - weil es meine Vorstellungskraft übersteigt.
Aber ich will. Ich will mehr. Ich will den ganzen Segen!
Und darum will ich ehrlich sagen:



Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade!
und ganz leise füge ich hinzu: "Und wenn ich wieder nicht hinhöre, dann schrei mich bitte an!"