Mittwoch, 18. Januar 2017

Ein Selbstversuch - Geheimnis

Linus versucht das Geheimnis zu lüften...

Da bin ich wieder. Früher als ich gedacht hätte, konnte ich mich dem zweiten Kapitel und der zweiten Übung annehmen. Das Kapitel ist überschrieben mit "Geheimnis" und es ist tatsächlich ein Geheimnis, dass wir einen Gott haben, der mir personell gegenübertritt und dem es ein tiefes Anliegen ist, mir zu begegnen und Beziehung zu mir zu haben. Aber dazu später mehr.

In der Übung werde ich aufgefordert mir Gedanken zu machen über mein Innen und mein Außen. Ich verwende gleich die Graphik im Buch und sammle, was ich denke, dass die Menschen, die Welt, meine Lieben sehen, wenn sie mir begegnen. Da gibt es vieles - von der Tochter, der Schwester, der Mutter, der Ehefrau angefangen, über die Schriftstellerin, die Freundin, die Zuhörende, die Gastgeberin, die am Morgen Grantige, die Starke, die Pünktliche, die Unsportliche; bis hin zu der, die fest im Glauben steht, auf Gott vertraut, gerne lacht, die glaubt sie kann singen und kochen und die schreiben kann...die Liste ließe sich endlos ausbauen. Ich habe festgestellt, dass es unzählige Außenansichten von mir gibt - je nachdem durch welche Augen ich versuche mich zu betrachten. Und dann kommt das Innen, was ich versuche in den kleinen Kreis zu quetschen, der kaum genug Raum bietet...
Ich stelle fest, dass vieles, was nach außen Sichtbar ist, auch mit meinem Innen übereinstimmt. Aber da ist noch mehr. Da sind meine Sehnsüchte und verborgenen Gedanken, da sind meine Zweifel und das ist auch etwas, was ich bisher so nicht wahrgenommen habe: Da ist die, die sich vor Gott manchmal verstecken will. Und gleichzeitig ist da eine Wahrnehmung, dass dieser Gott mich tatsächlich so mag wie ich bin - und mich schön findet. Das erschüttert mich immer wieder, aber Gott hat mir einen wundervollen Mann geschenkt, der mir eben diese Wahrnehmung immer wieder erfolgreich vermittelt und es mir so auch leichter macht anzunehmen, dass Gott mich so sieht und liebt und einfach unfassbar toll findet...irgendwann ist der Kreis voll und ich blättere eine Seite um und muss erstmal laut seufzen: Hätte ich mir ja denken können. Zu Beginn darf man sich nochmal 15 min ins Nichtstun begeben und die Hände öffnen.
Ha! Das kann dann ja eine Weile dauern.
Aber Gott ist gut und kann aus allem etwas Gutes machen. Während ich das zweite Kapitel schon auf die lange Bank schieben möchte, wird unser Jüngster krank. Er speit, hat Fieber und ist nicht gut beieinander. Eigentlich kommt er nur wirklich zur Ruhe, wenn er auf mir liegt und dort gemütlich vor sich hindämmert - was mich zum Nichtstun verdammt. Verdammt?
Während ich da so sitze und mich etwas gräme, dass ich so zu Nichts komme und mir überlege, was gerade alles liegen bleibt und gleichzeitig mein Herz zerschmilzt beim Anblick des leidenden Bübchens, stocke ich...ich komme zu Nichts, ich bin zum Nichtstun verdammt. Oder? Und dann muss ich grinsen und lache laut, was fast den Kleinen weckt und sage: Danke Jesus!!
Da versuche ich die ganze Zeit, Zeit zum Nichtstun zu finden und jetzt sitze ich hier und bekomme genau das. Jetzt muss ich nur noch die Hände öffnen und die Gedanken den Fluss runter schicken. Es ist eine Offenbarung. So habe ich in den letzten Tagen oft Gelegenheit bekommen mich im Nichtstun zu üben und während ich jetzt nicht nur mehr mir, sondern auch meinem Sohn beim Atmen zuhöre, gelingt es mir immer besser.

Dann bin ich am anderen Tag mit meinem Mann im Gebetsraum. Ich mache mir Ohropax rein betrachte etwas neidisch eine Mitschülerin vom Con, die schon seit einer Stunde vorne kniet und mit geradem Rücken, ganz entspannt Nichts tut. Aber dann komme ich zurück zu mir und versuche diesen Ort zu finden, von dem Johannes in dem Kapitel schreibt. Diesen Garten in mir selbst, an dem ich Gott begegnen kann. Ich schließe dazu die Augen und versuche diesen Garten irgendwie zu sehen.
Es gelingt mir nicht.
Alles was ich sehe sind rote und schwarze Nebelschwaden. Ich frage mich eh immer, was sie Leute wirklich meinen, wenn sie sagen, dass sie ein "Bild" haben...sehen sie das scharf? Wie gemalt oder fotografiert? Bei mir ist es meistens ziemlich nebelig und wenn ich etwas zu erkennen glaube, dann ist es nur der Hl. Geist, der meinem Versuch es zu beschreiben Sinn einhauchen kann...
Aber ich gebe nicht auf und schaue einfach in die Nebelschwaden. Ich weiß, dass es das Blut ist, welches durch meine Augenlieder fließt. Ich versuche mich auch nicht in irgendwelche Vorstellungen zu flüchten, sondern wirklich einfach nur nach innen zu gehen.

Und dann gelingt mir etwas, was nur sehr selten der Fall ist; Ich schließe auch meine inneren Augen.

Und plötzlich, für den Bruchteil einer Sekunde, bin ich dort. Ich stehe mit den Füssen in einem Bach, runde abgeschliffene Steine unter den Sohlen. Es ist irgendwie ein Gebirgsbächlein, ein paar größere Steine ragen aus dem Wasser und kleine Strudel bilden sich daran. Ich denke sofort an Staudamm bauen. Links von mir ist ein dunkler, dichter Tannenwald - nicht unheimlich, sondern vertraut. Auf der rechten Seite des Baches stehen nur ein paar Bäume, darunter satte grüne Wiese...
Das Bild ist so schnell verschwunden, wie es gekommen ist, aber ich weiß: das ist mein Garten. Ich habe erst einen winzigen Ausschnitt gesehen, aber der war genial. Das Wasser so frisch und kühl, dass man es sofort trinken möchte, die Luft angenehm warm, die Sonne scheint durch die Bäume und mit meinen Zehenspitzen spiele ich mit den abgeschliffenen Kieselsteinen...

Ich konnte bisher nur diesen einen Blick erhaschen, aber er macht Lust auf mehr. Und ich weiß, dass Johannes recht hat, wenn er sagt, dass Gott es genießt, wenn ich ihm diese Zeit schenke. Das kann ich spüren. Mein Herz ist schon ruhiger geworden in den letzten Tagen und ich weiß: Gott hat großes an mir getan.

Und ich habe schon richtig Lust aufs nächste Kapitel!
Seid gesegnet und bis Bald,
isi

PS: Es würde mich sehr interessieren, wie ihr dem Geheimnis näher kommt!

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