Wir gehen ins Cafe und weil kein Tisch frei ist, setzen wir uns auf die Bank an der rechten Seite – an die hohen Tische. Ich liebe diese Plätze. Man hat den ganzen Raum im Auge, kann die Menschen beobachten und die Beobachtungen teilen. Wie die zwei alten Männer in der Loge der Muppetshow. Wir bestellen uns ein Frühstück und überfordern den netten Kellner ein bisschen mit unseren Extrawünschen. Caro lässt die Beine baumeln, ich stelle sie auf einen den Barhocker. Und wir beobachten. Das Treiben im Lokal ist gemütlich – genau einem Sonntag-Vormittag entsprechend. Es ist erstaunlich, was man alles beobachten kann. Zum Beispiel das junge Paar direkt am Tisch vor uns. Sie gehören zusammen, scheinen aneinander gewöhnt, aber angespannt. Sie schauen sich kaum in die Augen, sprechen wenig. Ihr Blick ist fordernd, er scheint nicht zu wissen, wie er ihr geben kann, was sie braucht. Er ist bemüht sie aus sich heraus zu locken – sie blockt es ab. Sie Frühstücken, schweigend. Zusammen, aber doch Meilen weit voneinander getrennt. Sie hat einen harten Zug in ihrem hübschen Gesicht. Etwas von Resignation. Er wirkt einfach nur hilflos. Dahinter sitzen zwei Frauen. Die rechte hat einen langen blonden Pony, der ihr halbes Gesicht verdeckt. Was sie wohl verstecken will? Ihre Gedanken? Sie lächelt oft, schaut aber selten von ihrem Teller auf. Ihre Haltung ist gebeugt und das Lächeln hat etwas Bitteres. Ein Lachen mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Ihre Begleiterin hat unglaublich dunkle Augen, tiefe Ringe darunter und dichte Augenbraun. Sie sitzt sehr gerade und bestreitet die meiste Zeit das Gespräch. Sind sie Freundinnen? Die dunkle wirkt dominant. Die helle irgendwie unfertig. Als hätte sie keine klaren Strukturen, als würden ihre Ränder irgendwie verschwimmen. Als wolle sie ihr ganzes Sein Verstecken, so wie ihre hohe Stirn hinter den herunterhängenden Haaren.
Am Tisch links von uns sitzt ein Elternpaar mit einem kleinen Mädchen. Ein Wunschkind. Eine kleine Prinzessin mit dunklen Haaren. Beide scheinen voll und ganz auf das Kind konzentriert. Alles was sie tut wird kommentiert. Liebevoll mustert der Vater das kleine Mädchen und albert mit ihr herum. Doch dann sieht die Frau ihren Mann an und zwinkert ihm liebevoll zu. In diesem Moment merkt man es. Sie sind nicht nur Eltern der Kleinen, sie sind ein Paar. Da huscht ein Hauch von Liebe zwischen ihnen hin und her, der ausstrahlt auf den ganzen Raum. Es macht froh sie zu beobachten.
Als das junge, sich vertraute aber ferne Paar zahlt und geht, setzen sich drei Menschen an den Tisch. Ein älterer Herr mit grauen Locken und einer scheußlichen grau-schwarzen Jacke, ein junges Mädchen mit hellem Gesicht und karottenroten Haaren und ein Mann, den Caro sehr feminin findet. Der feminine Mann hat die größte Nase im ganzen Raum, schwarze Haare und eine Lederjacke an. Sie diskutieren. Das heißt, eigentlich diskutieren nur der alte Mann und das rothaarige Mädchen. Sie könnte gut eine Studentin sein, er ihr Professor. Der Lederjackenmann scheint nicht recht dazu zu passen. Er sagt auch nicht viel und konzentriert sich auf sein Rührei. Caro meint er ist schwul und der alte Mann sein Partner. Ich glaube das nicht. Sie wirken einfach nur zusammen gewürfelt.
Dann kommen zwei junge Frauen zur Tür hinein und hinten an einem der Wandtische springt eine andere junge Frau auf und eilt ihnen entgegen. Der dunkelhaarige, stämmige Mann, der mit ihr am Tisch sitzt kommt auch. Die Frauen fallen sich um den Hals. Den Worten ist zu entnehmen, dass die große, schlanke ihren besten Freundinnen ihren neuen Freund vorstellen will. Er gibt den beiden die Hand. Die drei Frauen wirken sehr vertraut miteinander – der Mann lächelt, obwohl er sich nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen scheint. Klar. Er wird bewertet. Beobachtet. Bekannt gemacht mit denen, die seiner Freundin am Herzen liegen. Zusehens entspannt er sich jedoch. Er weiß, wer er ist und braucht sich nicht zu verbiegen.
Caro lacht, ich schmunzle und wir stellen uns kurz vor, wir hätten graue Haare, Runzeln und Puppenhände mit nur vier Fingern. „Mrs. Piggy hat einen neuen Freund. Das wird Kermit das Herz brechen“ sage ich. Da kommt unser Frühstück und wir wenden uns anderen Themen zu. Aber die Augen schweifen immer wieder zu unseren Beobachtungen zurück – es ist auch zu spannend, was sich da alles entwickelt. An einem gemütlichen Sonntag-Vormittag!
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