Montag, 13. Dezember 2010

Der Tod

Heute beschäftigt mich der Tod. Der Tod ist nämlich eine interessante Sache und er ist es wert manchmal über ihn nachzusinnen während man lebt. Man könnte meinen, das wäre nicht nötig, weil er einen jeden von uns früher oder später ereilt und einholt, aber ich denke doch, dass man sich schon frühzeitig mit ihm auseinandersetzten sollte. Um nicht im Jetzt und Hier von der Angst vor ihm beherrscht zu werden. 
Sich auch nur eine Stunde, ja eine Minute von dem Gedanken an ihn verdüstern zu lassen lohnt sich nicht. Aber jeder weiß um den Tod und viele fürchten ihn. Und viele versuchen dieser Furcht zu entkommen, indem sie ihn ignorieren. Ich kenne die Furcht, die man ignoriert. Sie lungert im äußersten Teil unseres Blickwinkels herum und wächst und wächst und wird zu einem bedrohlichen, immer dunkler werdenden Schatten. Schaut man dann mutig doch einmal direkt hin, ist die Mücke immer noch so klein und belanglos, wie beim ersten Mal, als man hingesehen hat. Sie ist genauso harmlos als zuvor - bevor man begonnen hat sie zu ignorieren. So ist es auch mit der Angst vor dem Tod. Man muss ihn betrachten; sich einmal genau ansehen, was es mit ihm auf sich hat, damit er keine unheimlichen Schattenspiele an die Wand unseres Lebens werfen kann.

Ich glaube an die Auferstehung. Das heißt, dass ich glaube wir kommen in den Himmel und  gehen in die Herrlichkeit Gottes ein. Eine Cousine von mir stellt sich das folgendermaßen vor: Sie sieht eine große Wiese auf der lauter schillernde Seelen herum hüpfen. In purer Freude. Jemand anderes hat mal vermutete, dass wir im Paradies alle 33 Jahre alt sein werden. So alt wie Jesus war, als er starb - also in der Blüte unseres Lebens. Ich selbst habe keine konkrete Vorstellung davon, wie es sein wird, aber ich denke wir werden einfach in der Gegenwart Gottes sein und so von Freude durchleuchtet, wie wir uns es hier auf der Erde gar nicht vorstellen können. Das Gegenteil, die Hölle, muss demnach die Ferne von Gott sein. Wissend, dass man sich willendlich gegen diese Gegenwart entschieden hat. Für immer mit den Zähnen knirschend. Es ist mir kaum vorstellbar, dass man sich da wissend und willendlich für entscheiden kann. 
Ein bisschen kann man es sich vielleicht aber doch vorstellen. Wenn man jemanden liebt, dann möchte man um jeden Preis bei diesem Menschen sein. Und dennoch kann man es nicht immer. Und es gibt Situationen, da entscheidet man sich dagegen und leidet innerlich Höllenquallen. Man ist fern von dem ,den man liebt, und hat vielleicht keine Möglichkeit ihn jemals wieder zu erreichen. Wissend um das, was man sich selbst genommen hat.
Dennoch ist einem Jeden von uns diese Entscheidung frei in die Hand gegeben. Ich denke nicht, dass irgendein Mensch, der von der Existenz Gottes keine Ahnung hat, deswegen in der Hölle landen kann. Da wird sich die ganze Gnade Gottes erweisen. Aber jemand, der Gott erkannt und dennoch gegen ihn entschieden hat... ich fürchte, dass dann die Hölle durchaus zur Realität werden kann.

Aber das ist nun auch schon einen Schritt zu weit gedacht. Der Tod ist etwas ganz Irdisches. Eigentlich, paradoxerweise, etwas ganz lebendiges. Der Tod ist vielleicht auch nicht das, worüber ich nachdenken will, sondern das Sterben. Denn der Tod selbst ist nur ein Bruchteil einer Sekunde. Vielleicht ein Moment, dem wir einen Namen gegeben haben, den es aber gar nicht gibt, da wir direkt und ohne Unterbrechung von einer Wirklichkeit in die nächste übergehen. Der Tod umschreibt nur das Ende hier auf Erden. Er sagt nichts aus über das danach. Und auch nichts über das davor.
Ich habe in meinem Leben einen einzigen Menschen beim Sterben begleitet. Und auch das ist nicht ganz richtig, denn als er seinen letzten Atemzug in dieser Welt gemacht hat, habe ich geschlafen – seine Hand haltend. Und doch war ich dabei, wie er mit dem Tod gerungen hat, sich an das Leben klammernd, das er nicht lassen wollte. Vielleicht ist ihm in den letzten Augenblicken auch bewusst geworden, dass es ganz widersinnig ist, sich daran zu klammern. Weil das, was kommt, so wundervoll und allumfassend ist, wie nur vorstellbar. Vielleicht wurde ihm die Gnade erwiesen schon hier, als er noch unter uns weilte, einen kleinen Blick hinüber werfen zu dürfen und vielleicht hat er deswegen in den letzten Sekunden keine Angst mehr gehabt. Ich hoffe es.
Warum haben wir so eine Angst vor dem Tod? Sind es die Schmerzen, die mit dem Sterben einhergehen können? Ist es das letzte Quäntchen Unsicherheit, ob wirklich ein „danach“ existiert? Ist es die dunkle, bedrückende Angst, dass wenn man die Augen zum letzten Mal schließt, alles was kommt das feuchte dunkle Erdreich ist und einen ein Wurm auffrisst? Wenn man so direkt darüber nachdenkt, dann verliert es viel von seinem Schrecken. Ich denke, es ist wohl mehr das, was wir zurücklassen müssen hier auf Erden. Die Menschen die wir lieben. Denn aller Glauben der Welt und alle Zuversicht, dass es wunderbar werden wird, kann uns nicht den Schmerz des Verlustes nehmen. Wenn ich mit jemandem Zeit verbracht habe und er verabschiedet sich, um nach Hause zu fahren, dann erlebe ich ein ähnliches Gefühl. Ich vermisse diesen Menschen, auch wenn ich genau weiß, dass es ihm dort, wo er hingefahren ist, sehr gut geht. Vielleicht weil im Unterbewusstsein immer das kleine bisschen Angst schwebt, es könnte etwas passieren, wenn wir nicht hinsehen? So wie das kleine bisschen Furcht vorhanden ist, es könnte nach dem Tod nichts mehr geben, als schwarze, kalte Leere? Vielleicht.
Tatsache ist, dass wir durch Jesus die Hoffnung bekommen habe. Die Hoffnung und den Glauben an das danach – was wir Himmel nennen. Weil er für uns gestorben ist und weil er tatsächlich – ganz freiwillig – in den schlimmsten aller Zustände hinab gestiegen ist. In die Gottferne. Damit unsere Sünden vergeben sind und wir in das Reich Gottes kommen können. Durch ihn und mit ihm. Denn er ist nicht in der Tiefe geblieben. Nein. Er ist auferstanden und hat so seine ganze Herrlichkeit – seine Menschlichkeit und seine Göttlichkeit offenbart. Das Geschenk, was er uns damit gemacht hat, ist so groß, dass man im Annehmen desselben nur ganz klein und demütig werden kann. Das macht es auch vielen Menschen so schwer. Denn die meisten Menschen können nicht annehmen, dass man ihnen einfach etwas schenkt. Sie wollen zurückschenken. Weil sie nicht in Jemandes Schuld stehen wollen. Das unfassbare an Jesus ist jedoch – er schenkt sein Leben, ohne das wir dadurch in seiner Schuld stehen. Völlig frei, völlig gratis. Nichts, was wir hier auf Erden tun können, kann dem jemals gleich kommen und mit nichts können wir ihm zurückgeben, was er getan hat. Sonderbar. Alles, was er will ist unsere Liebe.

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